Reisebericht INT (Teil 3: Arad – Tel Aviv)

Tag 20: Arad – Forester’s House (32km)

Nachdem die Wüste gut überstanden war und der eine Tag Regenerationspause sehr gut getan hatte, wollte ich morgens um 04:30 aufstehen und damit einen langen Tag beginnen. Gute Vorsätze hin oder her, nach dem Läuten des Weckers gönnte ich mir doch noch eine Stunde Schlaf, sodass ich dann gegen 06:00 in den leergefegten Straßen Arad’s startete. Nach den ersten 10km des Tages erreichte ich schon die archäologische Stätte Tel Arad, die Ruine einer Zitadelle aus der Zeit 600 v. Chr.

Tel Arad

Tel Arad

Nach einer kurzen Pause ging es weiter. Die Gegend war nun schon ziemlich grün, überall traf man auf Schafherden mit den von Wanderern geliebten Hirtenhunden. Arad ist so ziemlich die Schwelle zur Wüste. Südlich davon gibt es kaum Vegetation und nördlich davon betreibt man Ackerbau. Nach weiteren 5km führte der Weg mitten durch ein Araberdorf, wo ich sofort auf einen Tee eingeladen wurde. Die Teestube war eine ca 15qm grosse Wellblechbaracke, in deren Mitte eine Feuerschale stand, auf der die Teekanne köchelte. Drum herum gab es einige Teppiche und Kissen zum Liegen. Nachdem der erste Tee getrunken war, wurde ich von Masad in sein Haus zum Essen eingeladen und bekam Einiges aufgetischt. Seine Frau und eine seiner 5 Töchter (er hatte 9 Kinder) hatten frisches Fladenbrot gebacken und das wurde warm mit Hummus, einer Art Kartoffeleintopf, Oliven und eingelegten Paprika serviert. Unsere  Kommunikation war etwas eingeschränkt, da er nur sehr wenig englisch sprach und sich mein Arabisch auf „Hallo“ und „Danke“ beschränkt. Trotzdem machte er mir verständlich (You german, you brother! You israeli you no brother!), dass ich aufgrund meiner Herkunft seine Gastfreundschaft geniessen durfte. Der Konflikt zwischen Arabern und Juden ist eben doch immer präsent, was zu so radikalen Aussagen führt. Auf der anderen Seite haben viele Israelis Angst, in der Wüste ausgeraubt zu werden und Gebiete in denen Araber wohnen, sind grundsätzlich gefährlich – Vorurteile, die ich auch nicht bestätigt fand. Zum Abschied schenkte ich Masad noch ein paar Schmerztabletten für seine Tochter, die Ohrenschmerzen hatte und wurde noch eine Packung Bonbons an die Kleinsten des Dorfes los.

Masad, mein Gastgeber

Masad, mein Gastgeber

Kamele neben dem Weg

Kamele neben dem Weg

500 Höhenmeter und 2 Stunden später stellte ich dann fest, dass ich meine Fleecejacke verloren hatte. Ich fand sie aber wieder, nachdem ich zwei Kilometer zurück gelaufen war. Der Weg verlief mittlerweile durch ein schönes waldiges Gebiet – eine Wohltat nach all der Wüste, in der es kaum Schatten gab. Gegen Abend erreichte ich das Forester’s House, in dem es einen Raum mit Betten für Wanderer gab. Bei meiner Ankunft wurde ich aber direkt mal wieder von einer Gruppe israelischer Wanderer zum Abendessen eingeladen und bekam sogar ein Glas Bier. Das erste, seit ich aus Deutschland abgeflogen war…mmmh!

Sonnenuntergang vom forester's house

Sonnenuntergang vom forester’s house

Tag 21: Forester’s House – Wald nahe Kibbutz Dvira

Ziemlich ereignisloser Tag. Gegen Abend war ich dann im Teva Forest, wo ich mein Nachtlager aufschlug. Das ganze Gebiet nördlich von Arad wurde aus Privatspenden wiederaufgeforstet. Als Dank dafür werden Gedenktafeln aufgestellt. So kann es einem schon mal passieren, dass man durch den Wald von Teva oder Intel läuft.

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runde Wolken, runde Büsche

runde Wolken, runde Büsche

Tag 22: Wald nahe Kibbutz Dvira – Eukalyptushain vor Lakish

Nach den ersten zehn Kilometern, kurz nach 10 merkte ich schon, dass es heute heiss werden würde. Die Tankstelle an der Hauptstrasse, an der ich gerade angekommen war verkaufte Cola – eine gute Gelegenheit für die erste Pause. Danach sollte man durch eine Unterführung die Strassenseite wechseln, allerdings sah diese sehr matschig und überschwemmt aus, sodass ich erst einmal schaute ob ich die Strasse anders überqueren könnte. Diese war allerdings sehr stark befahren (vergleichbar mit deutscher Autobahn), sodass ich doch lieber die Matschroute nehmen wollte. Ich zog meine Schuhe aus und nach den ersten 2 Metern stand ich dann aber schon wadentief im Schlamm, ohne dass ich bereits im überfluteten Bereich war. Also doch über die vierspurige Strasse laufen. Zum Glück fand ich 500 Meter weiter einen Bereich, wo die Straße in der in der Mitte eine Grasinsel hatte, was das Überqueren möglich machte.

Danach machte der Weg einen ziemlich unlogischen und frustrierenden Bogen, wodurch man eine Strecke von 3km auf 10km ausdehnte, die hauptsächlich an Feldern entlang führte. Immerhin bekam ich so eine Schildkröte zu sehen. An diesem Tag war es wieder sehr heiss (mehr als 30°) und ich vermute, ich habe nicht genug getrunken. Denn ab Kilometer 19 war ich schwach und bei 23 bin ich komplett eingebrochen und hab mich einfach im nächstbesten Schatten auf den Boden gelegt. Es war das einzige Mal auf dem INT, dass ich mich so fühlte. Ich war einfach unglaublich erschlagen und hatte keinen Bock mehr, dachte über’s Aufhören nach. Als ich mich dann irgendwann wieder gefangen hatte, quälte ich mich weiter und mit sinkenden Temperaturen und besserer Hydration war es dann einigermassen in Ordnung. Trotzdem war ich ziemlich am Ende, als ich dann mein Lager in einem Euukalyptushain neben einem Feldweg aufschlug. Da ich mich nahe der Grenze zum Westjordanland befand, waren überall Hubschrauber und nachdem ich zweimal in einem seltsamen Halbkreismanöver direkt überflogen wurde war mir klar, dass sie mich gesehen hatten. Zehn Minuten später tauchte dann auch schon der Jeep von der Polizei auf und hielt zehn Meter von mir entfernt. Niemand stieg aus und kurze Zeit später fuhren sie wieder weiter. Offenbar sah ich mit meiner neongelben Therm-A-Rest und dem roten Schlafsack nicht aus wie jemand, der illegal über die Grenze will oder Waffen schmuggelt.

Kornfeld

Kornfeld

Eukalyptushain in der Ferne

Eukalyptushain in der Ferne

Tag 23: Eukalyptushain vor Lakish – ‚The cave‘ in Srigrim Li-On

Morgens war die Welt dann wieder in Ordnung und als ich einige Kilometer später Wasser aufgefüllt hatte und im Dorfladen Cola und Snickers im Angebot (3 Stück für 2€) gekauft hatte, waren die Aussichten wieder rosig. Mal wieder führte der Weg an der Grenze zum Westjordanland (viele Zäune) vorbei und diesmal sah ich einen Jeep auf der anderen Seite der Grenze stehen und winkte nach drüben. Da mir das Motiv gefiel schoss ich ein Foto und zückte danach noch die Karte, da der Weg komisch verlief und ich nicht wusste wo es weitergeht. Als nächstes fuhren 2 weitere Jeeps auf der anderen Seite der Grenze vor und als ich ein weiteres Mal aufschaute, sah ich 15 Menschen über die Grenze (30 Meter entfernt) in meine Richtung rennen. Ich hatte keine Ahnung was das auf sich hatte, packte meine Karte und rannte mehr oder weniger panisch in den Wald. Ich sah noch wie 3 Autos auf israelischer Seite vorfuhren, die Palästinenser hineinsprangen und die Autos wieder abfuhren. Das Ganze hatte weniger als eine Minute gedauert und ich traute mich langsam wieder aus dem Wald heraus, den Schrecken immernoch in den Gliedern. Aus meiner Nachfrage später ergab sich, dass die Palästinenser nur illegal zum Arbeiten kommen und somit für mich keine Gefahr bestand. Komisch war die Situatuion trotzdem. Am Abend nutzte ich mal wieder einen Trailangel, in diesem Fall zwei Kerle um die 20, die eine Höhle in Srigrim Li-On hergerichtet hatten, in der ich schlafen konnte. Nachdem ich schon zu Abend gegessen hatte, brachten sie mir noch selbstgemachte Zitronenlimonade und Fisch mit Reis, der mein Frühstück werden sollte.

Der Jeep an der Grenze - Ruhe vor dem Sturm

Der Jeep an der Grenze – Ruhe vor dem Sturm

Tag 24: ‚The cave‘ in Srigrim Li-On – Kibbutz Tzova

Morgens stellte ich durch ein immer lauter werdendes Brummen fest, dass sich ein Bienenschwarm in der Höhle befand und schmiss daraufhin alles so schnell wie möglich in den Rucksack, um möglichst schnell rauszukommen. Es war noch nicht mal Sonnenaufgang und trotzdem war die Luft so warm, dass ein T-Shirt vollkommen ausreichte. Also mal wieder ein heisser Tag. Um den Fehler von gestern zu vermeiden, füllte ich gleich 4,5 Liter Wasser auf und machte mich auf den Weg. Gegen mittag traf ich mal wieder auf die große Gruppe die ich am 1. Tag getroffen hatte und holte mir noch einen weitern halben Liter Wasser, da ich schon 3 Liter getrunken hatte. Nachdem ich noch 20 Minuten mit der Gruppe gegangen war und mich mit einem Bekannten unterhalten hatte, verabschiedete ich mich, da ich noch ein gutes Stück vor mir hatte. Insgesamt sollten es heute 40km werden, ich wollte zum Kibbutz Tzova. Ungefähr 7km vor Etappenende hielt ich meine Füße noch in ein Becken, um mir eine Abkühlung zu verschaffen, was sich als großer Fehler herausstellen sollte. Fünf Minuten nachdem ich weitergegangen war, merkte ich, dass ich wunde Stellen an den Fersen und am Fußballen hatte. Da ich bisher noch keine Probleme mit Blasen oder wunden Füßen gehabt hatte, musste es wohl am Wasser oder etwas das darin war, gelegen haben. Einen Kilometer danach, die Füße wurden immer schlimmer, traf ich auf Israelis, die ihr Auto am Ende des Wanderwegs abgestellt hatten und mir anboten mich bis nach Tzova mitzunehmen. Das nahm ich  in dieser Situation sehr dankbar an. Eigentlich wollte ich ja alles zu Fuß gehen und hatte deshalb auch auf den langweiligen Etappen direkt neben der Strasse vermieden den Bus zu nehmen, aber da ich mehr humpelte als ging, machte ich hier eine Ausnahme.

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Tag 25: Pausentag im Kibbutz Tzova

Ein entspannter Tag, an dem ich Teil 2 des Reiseberichts schrieb und meine Füße heilen liess.

Tag 26: Kibbutz Tzova – Kibbutz Sha’alvim

Morgens war ich noch eine halbe Stunde mit 3 israelischen Mädels unterwegs, die in der letzten Nacht auch in der Unterkunft geschlafen hatten. Danach ging’s alleine weiter und nach einem recht ereignislosen Tag kam ich gegen 15:30 bei der Familie (trail angels) an, die ich zuvor angerufen hatte. Da heute Freitag war und sie den Sabbat einhalten, wurde ich gebeten vor 5 Uhr abends aufzutauchen. Am Abend bekam ich dann mit, wie es am Sabbat so läuft mit Gebeten, Gesang und rituellem Wein – eine kulturell sehr interessante Erfahrung und leckeres Essen!

Blumen auf den grünen Hügeln bei Jerusalem

Blumen auf den grünen Hügeln bei Jerusalem

Tag 27: Kibbutz Sha’alvim –  Moshav Mazor

Anscheinend hatte es mich am Vormittag im Ben Shemen Wald in das Mountainbike-Mekka Israels verschlagen, denn so viele Geländeradfahrer hatte ich noch nie auf dem Haufen gesehen. Lag vermutlich daran, dass es Wochenende war. Aber am Parkplatz zu diesem Naherholungsgebiet gab es sogar einen Stand von einer Fahrradwerkstatt, falls den Sportlern zwischendurch etwas kaputt gehen sollte. Die Zeichen der Zivilisation machten sich langsam bemerkbar! Am Abend gelangte ich noch über einen Schleichweg in das Moshav Mazor (ich fand den Haupteingang nicht, da ich von einer anderen Seite kam). Dabei ging ich mal wieder an einer Truthahn Massentierhaltung vorbei – bestialischer Gestank und die Tiere dort schreien non-stop. Im Moshav wollte ich erneut bei einer Familie schlafen und kam genau zur richtigen Zeit – das Grillfleisch und der Fisch waren gerade fertig und ich durfte erneut israelische Gastfreundschaft erleben. Am Abend wollte mir noch ein Freund der Familie mit seinem tomcar zeigen wie ich am nächsten Morgen einfacher zum Weg zurückfinde. Das Ganze wurde dann aber zu einer halbstündigen Spritztour, bei der ich erlebte was diese Dinger eigentlich so abkönnen. Man nehme eine Strecke, mehr Schlagloch als Straße  und fahre mit 40km drüber. Einzelne Schlaglöcher mit 60? Kein Problem! Auch über hüfthohe Felsen klettert der kleine Racer wie eine Bergziege. Lustiges Erlebnis ab dem Punkt, an dem ich mich entspannen konnte, weil ich wusste was das Teil alles kann.

Alter Tempel

Alter Tempel

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Tag 28: Moshav Mazor – Tel Aviv

Der letzte Tag sollte noch einmal alles bieten, was mir bisher auf der Reise noch nicht passiert war. Morgens als ich aufstand, regenete es in Stömen, weshalb ich noch ein bisschen wartete und erst um 7 Uhr startete. Den ganzen Tag über gab es Regenschauer, also hatte es sich doch noch gelohnt die Regenjacke einzupacken. Der Weg verlief fast den ganzen Tag neben einem kleinen Bach, ab und zu konnte man reife Grapefruit von den Bäumen neben der Strecke ernten. Die Orangen waren leider noch sehr sauer. Als ich den Bach an einem Zufluss furten musste, habe ich ihn zuerst an der falschen Stelle überquert, musste wieder zurück und an eine andere Stelle. Dabei erhöhte sich mein Furt-zähler dieser Reise auf 3. So ganz mit trockenen Füßen funktionierte das aber nicht und auch der Schnürsenkel riss mir noch. Zum Glück hatte ich noch etwas Schnur übrig. Die letzten 10 Kilometer meiner Wanderung gingen noch durch einen großen Stadtpark, der einmal quer durch den Norden Tel Avivs verläuft. An einem kleinen See machte ich meine letzte Pause, trank meinen letzten Kaffee, unterhielt mich mit dem letzten Israeli der mich wegen dem Trail ansprach und beendete meine Wanderung auf dem Israel National Trail bei Sonnenschein.Yofi, Sababa, Tov, wie auch immer man in Israel gut/toll sagen mag!

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Bank im neuen Industriegebiet

Bank im neuen Industriegebiet

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